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Bürger werden zu Online-Redakteuren

Weser Reporter gestartet

Dienstag, 04. Juni 2013

Nanu, was lese ich denn da? Der Weser Report hat ein neues Online-Portal kreiert und  Sonntag in Betrieb genommen: Weser Reporter. Ich hab mir das inzwischen mal genauer angeschaut und bin in meinem Urteil  noch etwas unentschlossen. Aber zunächst einmal eine kurze Zusammenfassung, was das Portal eigentlich kann und will.

“News, Fotos und die besten Storys von dir aus deiner Stadt” - auf der in bekannter Weser Report-Optik gestalteten Startseite wird unmissverständlich zusammengefasst, worum es beim neuen Portal geht: Bürgerinnen und Bürger werden eingeladen, über das, was ihnen in Bremen und Umzu begegnet, zu schreiben. Aktuell dominieren Veranstaltungstermine und Vereinsmitteilungen die Inhalte. Meldungen kleinerer Institutionen, die bemüht darum sind, Öffentlichkeit für ihre Nachrichten zu bekommen, für die Radio Bremen und der Weser Kurier eher selten Platz bieten. Der Weg vom ersten Klick auf die Seite zum ersten Beitrag ist kürzer als vermutet: Einfach registrieren, Bestätigungslink, der per E-Mail reinflattert, aktivieren und dann einloggen. Anschließend nur noch auf “Mein Artikel eingeben” klicken und ein Blankoformular ausfüllen. Absenden, fertig!

Vertrauensvorschub für den Schreiber

Wirklich so einfach? Das konnte ich nicht glauben. Die Artikel müssen doch sicherlich am Ende erst zentral freigeschaltet werden, sonst kann ja jeder online stellen, was er möchte. Ob beleidigende, unwahre oder unnütze Nachrichten. Aber siehe da - das geht tatsächlich. Ich habe als Testartikel einfach mal ein paar Zeilen zu mr.stups, einem  Label, hinter dem sich eine Bremer Kollektion für Hunde verbirgt, geschrieben (Nein, ich werde nicht dafür bezahlt, Werbung für mr.stups zu machen). Und auf “speichern” gedrückt. Tatsächlich - die Meldung steht unmittelbar danach online. Toll. Irgendwie. Aber irgendwie auch beängstigend. Denn jeder kann auf diese Weise auch etwas veröffentlichen, was jemand anderem nicht recht ist- zumindest solange, bis dieser  sich darüber beschwert. Nun kann man sagen, dass dies bei Facebook, Blogs, Communities etc. ebenso der Fall ist. Ja, das stimmt. Auch auf diesen Kanälen kann man schreiben, was einem gerade in den Sinn kommt - personalisiert oder anonym.

Doch von einem Online-Angebot eines journalistischen Mediums erwarte ich eine gewisse Form von Qualitätskontrolle. Zugegeben, der Weser Report ist nicht die ZEIT und auch die Inhalte der Printausgabe folgen nicht immer einem neutralen Blick, sondern oft der Anzeigenabteilung. Trotzdem irritiert es mich bei diesem Angebot. Jeder Blogger kann schließlich einstellen, dass Kommentare erst nach der Freigabe sichtbar werden, warum ist das bei Weser Reporter nicht der Fall?

Antworten darauf kann ich vermuten: Weil eben diese uneingeschränkte Partizipation, diese ungefilterte Meinungsäußerung  Sinn des Portals sein soll. Weil man Beiträge im Notfall immer noch sperren kann. Weil die Zeit des Projektleiters Markus Noldes nicht ausreicht, noch alle Meldungen auf inhaltliche Richtigkeit zu prüfen. Weil  es in den Nutzungsbedingungen unter Punkt 6 heißt “Der KPS Verlag übernimmt keinerlei Verantwortung für hochgeladene Inhalte und haftet nicht für die Richtigkeit, Qualität oder Vollständigkeit der von Nutzern übertragenen Inhalte.”

Print goes Online

Stellen wir die fehlende Qualitätskontrolle an dieser Stelle beiseite und blicken wir auf das, was ich an Projekten wie den Weser Reporter gut finde: Es passiert etwas! Ganz grundsätzlich ist es der richtige Schritt für klassische Printmedien darüber nachzudenken, wie sie sich online aufstellen können. Und zwar nicht, indem sie einfach ihr Printangebot auf einer Website spiegeln. Es muss Interaktion geben, Spielarten, die es offline nicht geben kann. Der Weser Report hat sich nicht hinter dem Argument “kein Geld, keine Zeit” versteckt, sondern hat seine Marke ins Online-Zeitalter übersetzt. Gratulation! Was leicht klingt, ist in der Redaktionsrealität häufig sehr schwer. Neben “kein Geld, keine Zeit” gibt es nämlich immer auch “keine Lust”. Menschen in Führungspositionen, die Redakteure als Strafe in den Online-Bereich versetzen, weil sie eben diesen als unehrenhaft, überflüssig oder unbedeutend erachten. Ich stelle zufrieden fest, dass es auch noch Redaktionen gibt, die sich mutig in die Online-Welt außerhalb Facebooks aufmachen.

Worüber ich auch angenehm überrascht bin: Es gibt keine Werbung auf der Seite. Ich würde vermuten, dass ein “noch” in meinem Satz angemessen wäre. Es gibt NOCH keine Werbung auf der Seite. Sollte sich das Portal etablieren, wird sich das vermutlich ändern. Aber gut, da halte ich es wie beim Lesen eines Blogs: Möchte ich die Vorteile einer Online-Publikation kostenfrei nutzen, darf ich auch nicht schimpfen, wenn sich die Publikation über den ein oder anderen Werbebanner finanzieren möchte.

Der größte Vorteil aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit: Endlich mal wieder ein Plätzchen, wo man Termine und Themen loswerden kann. Die Medienlandschaft in Bremen schrumpft schließlich immer weitere, gerade erst hat Center TV seinen Betrieb eingestellt. Da freuen sich Vereine, Schulen, Selbständige, Kulturschaffende und viele mehr natürlich über ein kostenfreies Angebot, ihre Botschaft zu verbreiten. In einem Kommentar auf der Facebookseite des Weser Reports schreibt eine Userin treffend: “Das ist super für die kommenden Veranstaltungen, die ich an die Öffentlichkeit bringen möchte!” Bei dieser Freude darf eines aber nicht vergessen werden: Kunden und Konsumenten haben umgekehrt ebenso die Möglichkeit, über Erlebnisse zu berichten, von denen man als Pressesprecher lieber nicht in der Öffentlichkeit lesen möchte. Leserbriefe 2.0 sind möglich. Öffentliche Beschwerden über schlechte Dienstleistungen, zu teure Veranstaltungen oder unerfüllte Erwartungen. Aber diese Gefahr bietet das Web 2.0 ja überall, daher ist das kein spezifisches Merkmal von Weser Reporter.

Bleibt die Frage, ob all das auch gelesen wird. Wird es gelingen, eine treue Leserschaft aufzubauen? Ich bin skeptisch, aber nicht vollkommen pessimistisch. Ich werf einfach weiterhin ein Auge darauf. Genauso wie auf This is awesome Bremen, ein Stadtportal, das im Mai an den Start ging. Und das  mit seiner klassisches Redaktionsstruktur, der frischeren Optik und der spezifischen Zielgruppenansprache via Facebook meiner Ansicht nach größere Überlebenschancen hat. Wir werden sehen.

 

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