Blogland – Blogger Relations / Corporate Blogging

Der Unterschied zwischen Journalisten und Blogger

Zusammenfassung für die Tagung "Über das Morgen hinaus" der Quadriennale

Montag, 19. Mai 2014

“Könntest Du einen Workshop zum Thema Bloggen geben?” fragte mich Ende letzten Jahres das Social Media-Team der aktuell laufenden Quadriennale 2014. Zu der Zeit saß es gerade an der Planung für die Tagung “Vernetzung über das Morgen hinaus - Neue Chancen für den Ausstellungsbetrieb”, zu der Vertreterinnen und Vertreter von Kultureinrichtungen (v.a. Museen) eingeladen waren. Mit ihrer Frage rannten Kathrin Michel und Latifa Shangama-Kalmes bei mir offene Türen ein, merke ich im Gespräch mit Pressestellen, Marketing- und Kommunikationsabteilungen doch nach wie vor, wie viele Fragezeichen noch über den Themen “Blogger Relations” und “Corporate Blogging” schweben. Da auch Tanja Praske als Referentin eingeladen war, wusste ich schnell, auf welches der beiden Themen ich eingehen würde: Blogger Relations. Denn wie Museen und Theater Blogs nutzen können, hat Tanja seit langem fest im Blick und kann daher noch viel gezielter als ich etwas für die Zielgruppe “Kultureinrichtung” beisteuern. Da lag es auf der Hand, dass ich in meiner Rolle als private Bloggerin dabei sein würde und mich lieber der Frage widme, wie diese digitale Spezies so tickt.

Was ich immer wieder feststelle: Die Unsicherheit, wie mit Bloggern umzugehen ist, gründet sich vor allem auf einer falschen Annahme. Der Vorstellung nämlich, dass Blogger eigentlich so etwas wie Journalisten sind, eben nur mit Facebook-Seite und Twitter-Account. Bei der Fehleinschätzung ist es aus meiner Sicht ganz verständlich, dass die Zusammenarbeit mit Bloggern eher schleppend verläuft. Aufklärungsarbeit ist gefragt. An der Stelle knüpfte ich auf der Quadriennale an und leitet daher vergangenen Freitag den Workshop “Nein, Blogger sind keine Journalisten 2.0”. Die meiner Ansicht nach wesentlichsten Unterschiede möchte ich an dieser Stelle zusammenfassen, damit sie auch denjenigen zugänglich sind, die nicht teilnehmen konnten.

Vorausschicken möchte ich, wie ich die Begriffe “Blogger” und “Journalist” ist Folgenden verstehe. Denn eins ist doch klar: Ein kommerzieller Fashionblogger mit riesiger Reichweite ist etwas anderes als ein privater DIY-Blogger mit 30.000 Zugriffen im Monat. Und ein freiberuflicher Reisejournalist, der sich monatelang auf Recherche befindet, ist etwas anderes als ein festangestellter Redakteur einer Anzeigenzeitung, der manchmal nur die Überschrift bei einer Pressemitteilung ändert und sie dann ins Blatt übernimmt. Ich gehe daher im Folgenden von den Phänotypen aus, mit denen man als Kultureinrichtung meistens zu tun hat: Redakteuren von tagesaktuellen Medien oder Fachmedien sowie privaten Bloggern, die einen professionellen Ansatz verfolgen, allerdings ihr Geld in einem anderen Job verdienen. Um die Unterschiede nicht wahllos aneinanderzureihen, habe ich sie nach Stichworten sortiert. Am Ende folgt ein Link zur Präsentation, die auch konkrete Tipps zum Umgang mit Bloggern gibt.

ZEIT

Blogger schreiben, fotografieren und recherchieren in ihrer privaten Zeit, d.h. der Blog kollidiert mit anderen Freizeit-/ Familienaktivitäten. Für ein Blogger-Event innerhalb der Woche müssen sie ggf. Urlaub nehmen oder Überstunden abfeiern. Selbst wenn sie freiberuflich arbeiten, sind sie nicht automatisch flexibel. Etwas für den Blog zu machen heißt schließlich, in der Zeit nichts zu tun, was bezahlt wird. Zusätzlich zum Schreiben wendet ein Blogger sehr viel Zeit für alle begleitenden Social Media-Aktivitäten und die digitale Vernetzung mit anderen Bloggern auf. Hinzu kommt der zeitliche Aufwand fürs Fotografieren, Layouten, Recherchieren und Kontakt aufnehmen. Blogger sind im Gegensatz zu einer Redaktion eine One-Man-Show - mit all ihren Vor- und Nachteilen. Zu den Vorteilen zählt sicherlich, dass es keine fremdbestimmten Deadlines gibt. Wann und ob ein Beitrag online geht, entscheidet allein der Blogger.

Journalisten haben da deutlich engere Zeitfenster. Der Termin für eine Pressekonferenz ist ebenso vorgegeben wie die Headline für die Abgabe der Artikel oder der fertigen Beitrags. Ein Journalist hat daher deutlich mehr Zeitdruck als ein Blogger. Allerdings ist dieser Zeitdruck Bestandteil seines Job, denn das was er tut, passiert in seiner Arbeitszeit. Ein so banaler, aber oft vergessener und gleichzeitig für die Planung von Blogger Relations so wichtiger Unterschied: Blogger investieren private Zeit, Journalisten Arbeitszeit.

Noch zwei ganz andere Unterschiede findet man hinsichtlich des Stichwortes “Zeit”: Blogger berichten in ihren Social Media-Kanälen meist live, ein Journalist mit zeitlichem Abstand. Und während ein Blogger einfach so ohne Ausbildung loslegen kann, investiert ein Journalist Jahre in freie Mitarbeit, Volontariat und Praktika, um in seinem Metier arbeiten zu können.

FREIHEIT

Ein Blogger tut, was er will, und zwar auf seine ganz individuelle Weise. Er entscheidet nach persönlichem Ermessen, ob es ein Thema auf seinen Blog schafft oder eben nicht. Auch was Textlänge und Fotoauswahl betrifft ist er völlig unabhängig. Es gibt keinen Kodex, an den er sich halte muss und auch die Aktualität eines Thema ist nicht zwingend. Er kann zur Eröffnung einer Ausstellung bloggen, wird aber von seinen Lesern nicht schief angeguckt, wenn er erst im Laufe der Ausstellung etwas veröffentlicht. Die Mehrheit der Blogger beharrt zum Glück nach wie vor auch bei Kooperationen auf ihre Meinungsfreiheit. Einen Kodex, an den sich Blogger halten müssen, gibt es nicht, allerdings rechtliche Rahmenbedingungen.

Bei einem Journalisten schaut man da genauer hin. Er ist der Neutralität und dem Pressekodex verpflichtet. Anders als ein privater Blogger, kann er auch nicht final darüber entscheiden, ob ein Thema behandelte wird oder nicht - das tut die Redaktionsrunde oder der Chef vom Dienst. Die Frage der Aktualität eines Themas spielt bei dieser Entscheidung stets eine große Rolle. Wenn es dann an die Umsetzung geht, muss der Journalist formale Vorgaben berücksichtigen. Nachrichtenbeiträge in der Regionalsendung oder Meldungen im Lokales folgen stets traditionellen Längen.

THEMENTIEFE

Ich lehne mich jetzt nicht aus dem Fenster und schreibe, dass Blogger mit ihren Artikeln eher an der Oberfläche eines Themas kratzen. Denn das würde vor allem den Technikbloggern nicht gerecht. Aber man kann wohl nicht verleugnen, dass journalistische Berichterstattung nahezu immer deutlich mehr in die Tiefe geht als ein Blogbeitrag. Allein dadurch, dass in einem Artikel oder einem Funk- bzw. TV-Beitrag häufig mehrere Positionen und Menschen zu Wort kommen. Ja, ich weiß, das ist auch im Journalismus nicht immer so, aber deutlich häufiger.Auch sind kritische Fragen eines Bloggers selten zu beobachte. Überspitzt formuliert: Beim Blogger geht´s mehr ums Erleben, weniger ums investigative Informationen-Sammeln. Ein Beispiel: Während ein Küchen-Fachmagazin sicherlich interessiert daran ist, worin genau die Energieeffizienz einer neuen Siemens-Küchen begründet ist und was es sonst noch so an spannenden Material- oder Technikdetails gibt, interessierte das die Blogger, die darin mit einem hochrangigen Koch gemeinsam ein Drei-Gänge-Menü zubereiten, eher weniger. Bei Twitter dominiert bei Beiträgen rund um dieses Blogger-Event das Hashtag #nomnomnom, das Hashtag #Energieeinsparung findet man vermutlich kein einziges Mal. Das schreibe ich ganz wertneutral - ich finde das nicht schlimm. Denn bei einem Blogger-Event geht es eben eher um Imagepflege und Markenbotschaften, weniger um Thementiefe. Und das erklärt eben auch, warum dicke Mappen mit presseinformationsähnlichen Dokumenten Bloggern eigentlich nicht in die Hand gedrückt werden müssen. Kann man schon machen, man darf sich aber nicht wundern, wenn bei mein von zehn Blogbeiträgen kein Detail aus dieser Mappe auftaucht.

GELD

Ein Journalist darf sich nicht kaufen lassen, ein Blogger will sich nicht kaufen lassen. Selbst Blogger, die ausgewiesen kommerziell unterwegs sind, beharren auf ihre Meinungsunabhängigkeit. Auf dem Papier zumindest. Die Realität sieht häufig anders aus, aber als Unternehmen sollte man sich dennoch ein hinter die Ohren schreiben: Mit Geldzahlungen kauft man Reichweite, keine Meinung. Dass Reichweite etwas wert ist, vergessen leider noch viele. Da werden tausende Euro für eine Anzeigenschaltung investiert, aber für einen Blogbeitrag will man nichts zahlen. Wo doch ein Unterschied auf der Hand liegt: Im Gegensatz zum Journalisten bekommt der Blogger die Zeit, die er mit dem Beitrag verbringt, erstmal von niemandem bezahlt. (Dass Journalisten für ihre Arbeit häufig zu wenig bekommen, ist eine andere Diskussion….) Gleichzeitig investiert er aber Geld in seinen Blog: das fängt bei der Gebühr für seine Domain an und hört bei Blogger-Fortbildungen, die mit Reisekosten gern einmal mehret hundert Euro kosten, auf.

IMAGE

Blogger tun eine Menge dafür, ihr digitales Image zu pflegen und den Blog zu einer Marke werden zu lassen. Genau das macht sie ja auch so spannende: Sie sind nicht nur Kompetenzträger, sondern auch Vertreter von Lebenswelten. Mehr als ein Journalist ist ein Blogger Identifikationsfigur. Weil er Persönliches von sich preisgibt und sich in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellt. Selfies von Journalisten bei Facebook mit dem Hinweis darauf, an welchem fulminanten Event man gerade teilnimmt, sind da doch eher selten. Die meisten Blogger hingegen können gar nicht anders, als sich im Kontext ihrer Arbeit rund um den Blog zu zeigen. Und auch hier finde ich das eine nichts schlechter als das andere. Ich will einen Journalisten gar nicht so erleben, wie ich es von Bloggern kenne. Das würde seine Seriosität eher verringern. Wichtig ist allein zu verstehen, dass Blogger eben “zeigefreudig” sind. Wer das peinlich findet, sollte besser nicht mit Bloggern zusammenarbeiten. Wer den Mechanismus dahinter versteht, der hingegen schon.

In Sachen Image ist noch eine ganz andere Sichtweise angebracht: Welches Image genießen die beiden Gruppen eigentlich bei Dritten? Meiner Erfahrung nach haben es da die Journalisten deutlich besser: Bei Geschäftsführern und Entscheiden gelten sie eher als wichtig, seriös und verlässlich. Blogger werden schnell als sprunghaft, laienhaft und unberechenbar eingestuft. Aber auch das liegt an der falschen Erwartung, die man Bloggern noch zu oft entgegenbringt. Will man, dass sie so arbeiten und veröffentlichen, wie es ein Journalist tut, kann man nicht anders, als enttäuscht zu sein. Setzt mal allerdings nicht auf Neutralität und Thementiefe, sondern macht sich die tatsächlichen Vorteile (Kreativität, emotionale Lesernähe, Reichweite in den Sozialen Medien) bewusst, dann würde das auch einen Imagegewinn mit sich bringen.

HERZBLUT

Jetzt wird’s tricky, denn ich kann und will nicht schreiben, dass ein Blogger mehr Herzblut für seine Tätigkeit aufbringt als ein Journalist. Vielleicht trifft es den Kern meiner Überlegung besser, wenn ich von “Verbundenheit” spreche. Auch ein Redakteur fühlt sich - hoffentlich - dem Medium, für das er arbeitet verbunden, aber die Identifikation eines Bloggers mit seinem Blog ist natürlich noch größer. Aus den oben angesprochenen Punkten: Er macht sich die Arbeit unbezahlt und aus freien Stücken - daran muss man schon eine Menge Spaß haben und sein Herz sehr an diese Tätigkeit hängen. Blogger nehmen daher positive und negative Rückmeldungen zu dem, was sie tun, auch sehr persönlich.

Eine detaillierte Gegenüberstellung der hier zusammengefassten Punkte sowie daraus abgeleitete konkrete Handlungsempfehlungen für Kultureinrichtungen hatte ich für den Workshop in einer Präsentation zusammengefasst. Zu finden ist sie bei Slideshare.

Fotos: Quadriennale und Susanne Diesner

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