Blogland – Blogger Relations / Corporate Blogging

Habt ein Herz für PR´ler

Warum man für schlechte Blogger Relations auch mal Verständnis haben sollte

Mittwoch, 24. September 2014

Immer wieder fordern Blogger, von Organisationen angemessen angesprochen und behandelt zu werden. Zurecht, denn da läuft noch vieles schief. Doch das hat oft Gründe, für die der PR-Mitarbeiter persönlich gar nicht unbedingt etwas kann. Schuld sind die gewachsenen Strukturen.

Während ich normalerweise Organisationen erkläre, wie Blogger ticken, möchte ich den Spieß daher heute umdrehen und skizzieren, wie der Alltag in vielen Kommunikationsabteilungen bislang aussah - und warum es leider sehr lange dauert, bis sich Strukturen so geändert haben, dass Blogger Relations besser klappen. Genau das habe ich jüngst beim Blogger-Event “Bloggen mit Herz” auf Borkum getan. Und ich habe das Gefühl, ein paar wohltuende Aha-Momente, die künftig für ein besseres gegenseitiges Verständnis sorgen, konnte ich damit erreichen. Daher fasse ich die Inhalte des Vortrages hier nochmal für alle anderen zusammen.

Es wächst nur langsam zusammen, was lange nicht zusammen gehörte

Wer wie ich noch die Unternehmenskommunikation kennt, wie sie vor dem Boom der Blogosphäre war, der weiß es: PR und Marketing waren im Idealfall getrennte Zuständigkeitsbereiche, die sich zwar austauschten, aber ansonsten ihre eigenen Traditionen pflegten. Auf der einen Seite gab´s da die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die langfristig und ohne großes Budget versuchte, in der Öffentlichkeit ein positives Image herzustellen. Und zwar mit nachvollziehbaren, transparenten, dialogisch orientierten Informationen. Größte Zielgruppe: Redakteure und andere Multiplikatoren, die Informationen weitergeben.

Auf der anderen Seite hatten wir die Marketing-Abteilung. Die sorgte sich auch um das positive Image der Organisation, ist aber selten transparent, dafür aber handlungs- und vor allem Absatz-orientiert. Eine Marketingabteilung ist es gewohnt, Geld für die öffentliche Präsenz der Organisation auszugeben und die Wirkung der Ausgaben auch zu messen.

Und diese Trennung, die im Falle des Web 2.0 an ihre natürlichen Grenzen kommt, gibt es heute überwiegend noch immer. Vor allem in den Köpfen. PR und Marketing werden häufig noch von genau den gleichen Menschen geführt, die das vor sechs, sieben Jahren getan haben - und die halten natürlich noch an Gewohnheiten fest.

GESCHÄFTSFÜHRUNG: “Die publizieren doch öffentlich Informationen. Also irgendwie sind das ja Online-Redakteure. Soll sich doch die PR-Abteilung drum kümmern. Oder etwas nicht?”

Das größte Dilemma für Organisationen ist es, dass sich ein Blogbeitrag in der Regel weder einem typischen redaktionellen Bericht noch einer Marketingmaßnahme zuordnen lässt. Beispiel gefällig? Auf elmasuite wurde vor kurzer Zeit ein Beitrag zur neuen Kollektion von IKEA veröffentlicht. Dort lesen wir folgendes:

IKEA feiert den jährlichen Katalog-Launch seit Jahren mit einem großen Event in Hamburg, und dieses Jahr durfte ich dabei sein. Mit dem Motto “Wo jeder Tag beginnt und zu Ende geht” wurden in der HafenCity Universität die Hauptthemen des kommenden Jahres vorgestellt, die sich auf zwei sehr private Räume beziehen: Das Schlafzimmer und das Bad – beides Orte zum Erholen, Auftanken und Entspannen. Ich zähle mich nicht zu den Menschen, die 1/3 ihres Lebens im Schlafzimmer verbringen… dies würde bedeuten rund 8 Stunden Schlaf pro Nacht, traumhaft! (…) In einer Studie hat IKEA untersucht, welchen Einfluss der Tagesanfang auf das Wohlbefinden des Menschen hat und dazu rund 8.000 Personen zwischen 18 und 60 Jahren in Berlin, London, Moskau, Mumbai, New York, Paris, Shanghai und Stockholm zu ihren Gewohnheiten am Morgen befragt. Mehr als die Hälfte stellen den Wecker noch mindestens einmal weiter bevor sie aufstehen (kenn ich). Was ich sehr erstaunlich fand: Rund eine Stunde und 37 Minuten benötigt der durchschnittliche Stadtmensch vom Aufstehen bis zum Verlassen des Hauses. Da falle ich deutlich aus dem Rahmen. Dadurch, dass ich so spät aufstehe, muss ich ganz schön hetzen. Also doch lieber früher raus? Auch wenn es so schwer fällt? Es besteht also Potential. Nicht zuletzt darin, dass das Schlafzimmer und das Bad besondere Aufmerksamkeit benötigen, will man dort etwas mehr Zeit verbringen – ganz für sich. Warum also soll ein Schlafzimmer mit hohem Komfort ein Traum bleiben? Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, wird sicherlich im neuen IKEA Katalog fündig. Ab Montag werden sie an die Haushalte verteilt, bis dahin gibt es hier erste Einblicke in den Katalog.

Ein Teil aus diesem Text könnte genauso in einer Pressemitteilung stehen, jedoch wechselt die Tonalität mit einer typischen Testimonial-Empfehlungs-Ebene. Wer soll sich also um die Blogger kümmern? Die PR oder das Marketing?

PR: “Wie, die wollen bezahlt werden? Wir zahlen doch nicht für redaktionelle Berichte.”

In der PR landen Blogger Relations meiner Erfahrung nach noch am häufigsten Und dann werden Pressemitteilungen verschickt, die auch an Journalisten gehen. Mit Geschäftsführerzitat und druckfähigen Bildmaterial. Blogger können damit nur wenig anfangen - es sei denn, sie arbeiten wie ein Online-Journalisten. Das machen aber die wenigsten. Statt dessen fragen Blogger dann nach einem Honorar - was PR´ler die Nase rümpfen lässt. “Geld zahlen für einen Bericht? Wir manipulieren doch nicht mit Geld. Wir sind doch nicht die Marketingabteilung.”

MARKETING: “Waaaas? Wir können keinen detaillierten Einfluss nehmen, was die schreiben und wie die verlinken? Die spinnen doch, schließlich kriegen die Geld von uns.”

In Sachen Geld ausgeben hat das Marketing mehr Erfahrung. Aber auch mit dem Druck, dass mit dem Geld Ergebnisse erreicht werden, die man beeinflussen kann. Das mögen Blogger allerdings gar nicht gern. Der sehr fordernde Ton verärgert sie vielmehr.

Drei kleine Gedankenbeispiele, die eines deutlich machen sollen: Egal, wohin das Thema Blogger Relations geschoben wird, die MitarbeiterInnen sind der Meinung, Blogger müssten genauso reagieren und mitspielen, wie es die bisherigen Kontakte in Redaktionen bzw. Marketing-/ Anzeigenabteilungen von Medien so tun. Und kann man es ihnen verdenken? Ihre Methoden sind seit Jahrzehnten etabliert, das Umdenken braucht Zeit. Im doppelten Sinne.

PR und Marketing: “Wie sollen wir das denn noch schaffen?”

Liebe Blogger, wisst Ihr eigentlich, was man so als PR- oder Marketingmensch den lieben langen Tag so macht? Eine Menge! Unter anderem dies:

Die Zusammenarbeit mit Bloggern und alles, was dazugehört, kommt noch oben drauf - dabei sind die Aufgaben umfangreich genug, um daraus eine eigene 40-Stunden-Woche zu machen.

Ihr ahnt schon, was ich sagen will: Ja, es wäre toll, wenn es jemanden in einer Organisation gäbe, der all Eure Blogs ständig verfolgt. Der genau weiß, ob ihr Vegetarierer oder Teetrinker seid. Und ja, es ist frustrierend, Anfragen zu bekommen, die zeigen, dass er es nicht weiß. Aber Ihr verwechselt hier mangelnde Wertschätzung mit mangelnder Zeit. Letztgenanntes ist der Grund, warum es häufig schief geht. Besonders heikel wird es, wenn eine Organisation das alles nicht selbst macht, sondern eine Agentur dafür bezahlt, für eine einzelne Aktion Blogger Relations umzusetzen. Meint Ihr, jede Agentur bekommt vom Kunde Recherche bezahlt? Im Leben nicht. Die Organisation zahlt für Mailings, ein Blogger Event, die anschließende Auswertung vielleicht noch. Aber sie setzt voraus, dass die Agentur die Blogosphäre so gut kennt, dass sie sofort weiß, wen sie ansprechen kann. Das ist natürlich schier unmöglich, deshalb landen am Ende auch immer die gleichen Gesichter auf den branchenspezifischen Events. Weil die PR-Agentur noch von einem vergangenen Event einen Mailverteiler abgespeichert hat. Und ein neuer einfach zu viel Zeit kosten würde, die nicht bezahlt wird.

PROBLEME

Die Gründe, warum es noch kein funktionierendes Blogger Relations-System gib, sind im Wesentlichen aber diese:

  • Jede Organisation verteilt die Aufgaben anders – mal ist es eine externe Agentur, mal der Pressesprecher, mal der Praktikant im Online-Marketing.
  • Kaum eine Organisation investiert ausreichend Zeit und/ oder Geld in das Web 2.0.
  • In PR-Abteilungen ist es verpönt, für Berichterstattung zu bezahlen.
  • Marketingabteilungen sind es gewohnt, gegen Geld messbare Ergebnisse zu bekommen, die sie gezielt beeinflusst haben.
  • Es gibt wenig gute öffentliche Beispiele, welche Materialien ein Blogger per Mail bekommen sollte.

LÖSUNGEN…

…die keine sind:

„Das macht der Praktikant in der Presseabteilung.“

„Das kann die Kommunikationsabteilung mitmachen!“

… die in die richtige Richtung gehen:

„Wir brauchen einen Social Media-Manager“

„Wir schaffen einen Online-Marketing-Bereich!“

… über die sich Blogger am meisten freuen würden:

„Wir stellen eine gut vernetzte Stimme im Netz ein, die sich regelmäßig mit PR und Marketing abstimmt!“

Aber bis die ideale Lösung tatsächlich zur Norm wird, müssen wir noch viel Geduld haben. Je größer Organisationen sind, desto schwieriger sind Veränderungen. Mir bleibt nur ein Appell an Euch Blogger - und Ihr wisst, ich bin eine von Euch:

Habt ein Herz für die Menschen, die mit Euch in Kontakt treten wollen! Sie würden es gern besser machen, können es aber auch den oben genannten Gründen oft nicht. Dass jeder Blogger ganz unterschiedliche Bedürfnisse hat (die einen wollen Geld verdienen, die andern nicht; die einen haben als Freelancer viel Zeit, die anderen müssen fleißig Überstunden im Hauptjob machen etc.) macht das Ganze nicht einfacher. Euer Appell an Perfektion ist verständlich, Ihr tut aber gut daran, Eure Kraft in konstruktive Gegenvorschläge statt in Groll zu stecken.